spainitalyenglishgermanyfrance

STAHLFEDERN

schreibwerkzeuge

Schon sehr früh wurden Versuche unternommen, aus verschiedenen Edelmetallen wie Gold oder Kupfer Schreibfedern herzustellen. Die erste Erwähnung der Erfindung einer Stahlfeder findet sich 1748 in den Aufzeichnungen des Aachener Bürgermeisters Johannes Janssen, doch bis zur industriellen Herstellung der uns heute bekannten Stahlfedern dauerte es noch einige Zeit: sie setzte 1822 durch Joseph Gillot in Birmingham ein und verdrängte den seit Jahrhunderten gebräuchlichen Gänsekiel. Die Stahlfeder selbst musste schliesslich der Füllfeder und dem durch die ungarischen Brüder Biro erfundenen Kugelschreiber weichen, der nach 1945 seinen Siegeszug in der westlichen Welt antrat.

Da sich bei den früher gebräuchlichen Kielfedern der Federschnabel durch die Reibung auf dem Papier und die durch die Tinte bewirkte Erweichung unweigerlich abnützte, wurde zunächst immer wieder versucht, die Dauerhaftigkeit der Feder durch metallene Spitzen zu steigern: Was aber in dieser Hinsicht gewonnen wurde, verlor man an Elastizität, weshalb keiner dieser Versuche von bleibendem Wert war.

Abb.35: verschiedenste Schreibgeräte

Die Verbindung von Dauerhaftigkeit und Elastizität wurde immer wieder angestrebt. So wurde auch Horn und Schildpatt zu Federschnäbeln ge-
schnitten, in siedendem Wasser weich gemacht, mit Gold eingefasst und an den Schnabelspitzen mit Rubinen und Diamanten versehen. Mit solchen Federn liess sich eine schöne und saubere Handschrift schreiben, jedoch waren sie in der Herstellung sehr teuer.

Um 1803 tauchten «Wise’s Stahlfedern» auf dem Papierwarenmarkt auf, einzelne Stahlfedern in einem knöchernen Halter, die sich bequem in der Tasche mitführen liessen.
Diese Stahlfeder wurde wohl zu einem niedrigen Preis angeboten, doch eignete sie sich nur zum gelegentlichen Gebrauch.

Durch den Engländer Joseph Gillot wurde 1822 die Stahlfeder zu einem industriell gefertigten Handelsartikel. Durch seine unermüdliche Entwicklung und Verbesserung der ersten Produktionswerkzeuge und Maschinen konnte er die Qualität der Federn und damit auch die Nachfrage stetig erhöhen, bis er im Jahre 1828 eine durch Dampfkraft betriebene Maschine erfand, die die Herstellung von Stahlfedern in grösserer Stückzahl ermöglichte.

1850 erweiterte er seine Fabrik an der Graham Street in Birmingham. Sein für damalige Verhältnisse unbeschreibliches Sortiment an Federn reichte von der Magnum-bonum-­Sorte, die für die Kassenbücher der Bankiers verwendet wurde, bis zu den feinsten Federn, die schon durch die zartesten Kinderfinger hätten gebogen werden können.

DIE STAHLFEDERHERSTELLUNG

Der Arbeitsablauf in Gillots Stahlfedernmanufaktur teilte sich in die folgenden Schritte:

Das Walzen des Stahls
Als Rohmaterial dienten in Sheffield hergestellte Stahlplatten, die damals zu den besten auf dem Markt zählten. Diese, ähnlich den zur Verkleidung von Schiffen benutzten grossen Platten, wurden zunächst entsprechend der Länge der herzustellenden Federn in Streifen geschnitten. Diese wurden im Schmelzofen bis fast zum Schmelzpunkt erhitzt und an­schliessend langsam an der Luft ausgekühlt. Damit verloren die Streifen an Härte und Sprödigkeit, die sie durch das vorhergehende Hämmern der Platten erhalten hatten. Nach dem Erkalten wurden sie in Schwefelsäure getaucht, um das Oxidieren zu verhindern, und anschliessend zwischen zwei Eisenzylin­dern auf ein Drittel ihrer Stärke gewalzt (0,06 bis 0,3 mm).

stahlfeder_herstellung

Das Ausschneiden der «Blankets» (Federplättchen)
Die nach diesem Vorgang entstandenen dün­nen Stahlbänder wurden anschliessend im Stanzraum weiterverarbeitet. Aus den Bändern wurden auf Spindelpressen die Feder­umrisse einmal links und einmal rechts mit dem entsprechenden Stanzwerkzeug von Frauenhand ausgestanzt.
Die Geschwindigkeit, womit diese sogenannten «Blankets» ausgeschnitten wurden, ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das Blech von Hand unter den Punzen (Stanz­werkzeug) gelegt und mit einem Handgriff die «Schraube» niedergebracht werden muss­te. Dabei war darauf zu achten, dass nicht zu viel Materiel als Zwischenraum verloren ging. Eine Arbeiterin produzierte auf diese Weise 300 Gros à 144 «Blankets» pro Tag, das sind insgesamt 43 200 Stück.

Abb.36: Schritte der Stahlfederherstellung bei Heintze & Blanckertz

Das Schlitzen, Durchschlagen, Stempeln und Hohlschlagen
In einer weiteren Presse wurden die Blankets durch zwei niedergehende Messer geschlitzt und durchschlagen. Danach wurden diese Rohfedern erneut bis zum Schmelzpunkt erhitzt und an der Luft abgekühlt.
In der nächsten Presse erhielten die Blankets Inschrift, Stempel und Verzierung und wurden so in flachem Zustand vollendet. Der Prozess des Hohlschlagens gab der Feder die gewölbte, konvexe From, was mittels eines konvexen Punzens unter einer weiteren Presse geschah.

Das Härten, Schleifen und Färben

federreiningung

Um die Federn zu härten, wurden sie in Ei­senkästen mit maximal 100 Gros Inhalt in grossen Öfen abermals zum Glühen gebracht.
Nach einer halben Stunde Glühzeit wurden die Kästen vorsichtig mit grossen Eisenzan­gen aus dem Ofen geholt und die Federn zum Abschrecken in kaltes Öl geleert. Dadurch wurden sie wieder hart und spröde. Das an­schliessende Scheuern der Federn erfolgte mit gereinigtem Wasser und etwas Sumpfkalk, um das Rosten zu verhindern. In mit Sägespänen gefüllten Zylindern wurden sie dann ro­tierend vom restlichen Öl gereinigt.

Abb.37: Reiningung der Federn nach dem Scheuern

federschliff

Im Schleifzimmer wurde nun jede Feder gemu­stert und mittels einer eigens dafür konstruierten Zange einige Sekunden gegen eine aus Birkenholz gefertigte, mit Ziegenleder überzogene und mit Schmirgel und Leim bedeckte Schmirgelscheibe gehalten. Um der Spitze die richtige Elastizität zu geben, wurden zwei Schliffe angebracht, einer der Länge und einer der Breite nach.

Abb.38: Schleifen der Federn

federfaerben

Zur Färbung wurden die blanken Federn in Zylindern mit ca. 150 Gros Fassungsvermögen, ähnlich Kaffee-
rösttrommeln, über ein Feuer gehalten, um sie so einer stufenweisen und regelmässigen Hitzeeinwirkung auszusetzen. Werden die Federn 5 Minuten der Hitzeeinwirkung ausgesetzt, erhalten sie eine bronzene Farbe, bei 10 Minuten eine tief bläuliche-purpurne Farbe.
Der Grad der Federhärte wird durch den Ton der Färbung angezeigt:

weiss/blank = weich/elastisch
braun = mittel/hart
blau = hart/spröde

Abb.39: Färben der Federn, Veränderung des Härtegrades

Hatten die Federn den für die gewünschte Härte benötigten Hitzegrad erreicht, wurden sie in einenTrog geleert, wo sie sich schnell abkühlten und den genauen Farbton bewahrten. In einem Gemisch von Schellack, Spiritus und Wein wurden sie dann gefirnisst und in einem Sieb der freien Luft ausgesetzt. Im Falle einer weissen Krustenbildung wurden sie einfach wieder erwärmt, wodurch der Schellack zerfloss und eine schön emaillierte Oberfläche erschien. Um eine einheitliche Qualität zu erzielen, wurden die Federn nun in Gruppen von guten, schlechten oder unbrauchbaren sortiert, indem sie mit der Spitze gegen einen am Daumen befestigten Knochen gedrückt wurden.
Jetzt erst konnten die Federn in kleine Schachteln verpackt, etikettiert und in aller Herren Länder versandt werden.

Zum Abschluss noch einige Zahlen: Gillot beschäftigte 1853 um die 600 Arbeiter und Arbeiterinnen zu einem Wochenlohn von 5 Schilling (für die Jüngeren) bis 14 Schilling. Er verbrauchte 120 Tonnen Stahl im Jahr und pro­duzierte jährlich 108 000 000 Stahlfedern.

Die wichtigsten Federnformen

federformen

DIE BREIT- ODER BANDZUGFEDER
Diese Feder mit Winkelspitz wird hauptsäch­lich zum Schreiben von Unziale, karolingischer Minuskel und Frakturschrift verwendet. Dabei wird die Breitfeder etwa in einem Winkel von 45° nach rechts ansteigend auf das Papier gesetzt: Haarstriche werden nach rechts oben gezogen, Breitstriche nach rechts unten.

DIE SPITZFEDER
Diese Feder wird insbesondere für die englische Schreibschrift und die Kurrentschrift verwendet, doch lassen sich alle Schriften damit herstellen. Durch Druck auf die Feder wird die Schriftdicke bestimmt. Betonungen können jedoch nur beim Abstrich ausgeführt werden, beim Aufstrich entstehen durch das feine Hüpfen der Füsse unter Druck Spritzer.

Abb.40: Spitzfeder, Kugelspitzfeder, Breit oder Bandzugfeder

DIE KUGELSPITZFEDER

Der Vollständigkeit halber sei auch diese Feder aufgeführt. Sie wird hauptsächlich zur Herstellung von technischen Schriften verwendet. Für mit Tinte und Feder ungeübte Schreiber ist sie jedoch zum Unterschreiben von Urkunden durchaus zu empfehlen.

ZUR FEDERHERSTELLUNG VERWENDETE METALLE

Neben der Verwendung von gehärtetem Stahl wurden im Laufe der Zeit verschiedene Versuche unternommen, auch aus anderen Metallen Federn herzustellen.

Gold

Aus Feingold 1000/000 lässt sich keine funktionstüchtige Feder herstellen, da es zu weich ist und beim Gebrauch seine Form verlieren würde.
Ziel jeder Legierung ist deshalb, die besten Eigenschaften der Ausgangsmetalle zu verei­nigen.

Die gebräuchlichsten Goldlegierungen sind:

18K = 750/000 = 75,0 % Feingold
14K = 585/000 = 58,5 % Feingold
12K = 500/000 = 50,0 % Feingold
10K = 416/000 = 41,6% Feingold
8K = 333/000 = 33,3 % Feingold

Mit sinkendem Feingoldgehalt fällt die Korrosionsbeständigkeit und steigt die Stabilität der Legierung.

Abb.41:
Ablauf der Herstellung einer Goldfeder von Sheaffer Pen, oben links beginnend.

Gelbgold: 18K = 75% Feingold, 12,5% Feinsilber, 12,5 % Kupfer

Rotgold: 18K = 75% Feingold, 12,5% Feinsilber, ca. 17 % Kupfer

Weissgold: 18K = 75% Feingold, 25% Nickel oder Palladium (wird jedoch zur Federherstellung nicht verwendet)

Silber

Wie bei Feingold lässt sich Feinsilber 1000/000 nicht als gebrauchsfertiger Werk­stoff verwenden.

Silberlegierungen:

925/000 = Sterling-Silber = 92,5 % Feinsilber, 7,5 % Kupfer
800/000 = 800er-Silber = 80 % Feinsilber

Edelstahl

Edelstahl ist ein hochwertiger mit einer Chrom-Nickellegierung veredelter Stahl.
Die weiteren Metallegierungen seien nur noch der Vollständigkeit halber aufgeführt:
Federn aus Bronze (80 % Kupfer, 20 % Zinn), Messing (58-70 % Kupfer, Rest Zink) und Alpaca/Neusilber (60 % Kupfer, 18 % Nickel, 22 % Zink) scheinen mir ihrer hohen Elastizität wegen nicht sehr sinnvoll.

Kupfer

Eine ägyptische Rohrfeder mit kupferner Federspitze aus der Zeit um 4000 v. Chr. zeugt davon, dass sich mit einer kupfernen Feder schreiben lässt. Höchstwahrscheinlich handelte es sich dabei um eine getriebene Feder.

> weiter zu Füllfederhalter
< zurück zu Gänsekiel
zum Inhaltsverzeichnis
zum Stichwortverzeichnis
zum Seitenanfang