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KUPFERSTECHER-FRAKTUR (Merian-Fraktur)

fraktur_weinetikette


Im Gegensatz zur Anglaise findet die Fraktur eher Anwendung auf offizielleren Schriftstücken, deren Erscheinungsbild nicht allzu lieblich ausfallen sollte. Für Speisekarten und Liebesbriefe ist sie daher nicht zu empfehlen. Sie eignet sich hingegen für Urkunden und allerlei Text ernsten Inhalts.
Eine Fraktur im klassischen Sinn wird im allgemeinen mit der Bandzugfeder geschrieben, doch sieht man hier beim Schreiben mit der Spitzfeder sehr bald deren Vorzüge. Die barocken Schnörkel können in einem Zug in Verbindung mit den Lettern gezogen werden und müssen nicht nachträglich gekünstelt angebracht werden.

Abb.10: Weinetikette

Bei dieser Schrift ist unbedingt darauf zu achten, dass die Buchstaben in ihrem betonten, statischen Bereich senkrecht und in völliger Gleichmässigkeit geschrieben werden. Die einzelnen Freiräume innerhalb der Buchstaben dürfen in ihrer Grösse nicht zu unterschiedlich ausfallen, da sonst ein unruhiges Schriftbild entsteht. Die Schlaufen ober- und unterhalb der Lettern sollen kaum betont in einer ausgeglichenen waagrechten S-Form liegen.

fraktur_alphabet

Auf der Tafel sind die Anfangspunkte mittels Pfeilen und der gesamte Ablauf durch Nummern gekennzeichnet.
Eine saubere Linierung verhindert Unregelmässigkeiten in der Höhe der einzelnen Buchstaben, die zur angenehmen Gesamterscheinung eines Wortes einer unbedingt gleichmässigen Erscheinung in Abstand und Schrifthöhe bedürfen.

Abb.11: Schriftmuster einer Fraktur, die in der Manier der Kupferstecher mit der Spitzfeder ausgeführt wird. die Abstriche sind durch Druck auf die Feder betont.

A B M N P R U V W Y
sind Versalien, die nach ähnlichem Grundmuster aufgebaut sind. Der Bogen I wird einem Schneckenhaus gleich von der Hälfte der Buchstabenhöhe zurückgezogen, wobei der Abstrich betont wird. Der untere Bogen II gleicht einem liegenden S, wobei der Ansatz der zweiten S-Kurve in seiner Betonung abgebrochen wird und unbetont einen Strichbruch erhält.

D
verhält sich im Grunde wie A ausser dem Abstrich, der in diesem Fall auf die Grundlinie gezogen wird.

E F H I J K L
sind durch ihren in leichter Schräghaltung langgezogenen S-Strich charakterisiert. Zum Teil erhalten sie am Fuss eine kleine zurückgeworfene Spirale und sind oben durch ein kleines S abgeschlossen.

C G O Q T
werden durch ein ganzes oder halbes hochstehendes Oval gebildet.

S
setzt eine Umgewöhnung voraus, es wird sowohl als Gross- wie als Kleinbuchstabe in einem Zug ausgeführt. Es ist zu beachten, dass die zweite, in der Schreibrichtung liegende Kurve eine genügende Rundung erhält, damit das S an selbständiger Statik gewinnt.

Die Kleinbuchstaben mit Oberlängen werden immer mit diesen begonnen. Sollten einmal zwei oder sogar drei aufeinander folgen, so sind sie wie beim Beispielwort «Zillis» ineinander zu schlingen. Bei zwei aufeinanderfolgenden Kleinbuchstaben mit Unterlänge ist wie bei der Darstellung oberhalb des Wortes «Horw» zu verfahren.

fraktur_muster

Die Fraktur ist besonders reizvoll in ihrem Schreiberlebnis, da sie über einen besonders ausgeprägten Rhythmus verfügt, der unverkennbar an die Barockmusik erinnert und uns auf diese Weise in den Geist dieser Zeit eindringen lässt.

Abb.12:
Schriftmuster, in Kupfer gestochen.
Die präzise Strichführung stammt vom Stichel und ist mit der Feder kaum nachvollziehbar.

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