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Erotische Bilder doch in Thun

Kunst nicht auf dem Schlossberg, jedoch in der Altstadt

Madeleine Stucki kann die erotischen Kalligrafien doch ausstellen. Auf die Zeitungsberichte haben sich Privatpersonen gemeldet und stellen dafür Räume zur Verfügung.

Die erotischen Kalligrafien von Andreas Schenk können zwar nicht auf dem Schlossberg, jedoch anderswo ausgestellt werden: «Meine Asylsuche fruchtete, zumindest für die verbotene Vernissage des Basler Künstlers», freut sich Madeleine Stucki. «Nun kann ich die zensurierten Boudoir-Kalligrafien ‹Schöne Freuden› doch noch zeigen.» Die Vernissage findet am 1.Dezember statt. «Unser Asyl befindet sich im Kellerraum am Aarequai an der Oberen Hauptgasse 62 in Thun bei Vreni Dillier und Kurt Schlatter», sagt Stucki.

Die Lebensberaterin hat von der Schlossberg Thun AG ein Stockwerk des alten Statthalteramtes gemietet. Diese hat ihren Gewerbebetrieb verboten, und sie musste die Ausstellung absagen. Nun musste sie neue Räumlichkeiten für ihr Projekt «Zwischenräume» suchen (vgl. Ausgaben vom 23. und 24.November).

In der Oberen Hauptgasse 62

Die Ausstellung dauert von Donnerstag, 1., bis Sonntag, 4.Dezember. «Andreas Schenk und ich werden an der Vernissage und der Finissage anwesend sein, am Freitag und Samstag werden Freundinnen und Freunde von mir die Ausstellung betreuen», erklärt Madeleine Stucki. Schenk arbeitet mit klassischen Materialien, Werkzeugen und Arbeitsmethoden der Kalligrafie in Kombination mit zeitgenössischen Technologien. Entstanden sind mehrschichtige Schriftbilder, bei denen einmal der Text, einmal das Bild im Vordergrund steht. Die plakative Zurschaustellung ist fremd, das Verborgene, die Welt der Geheimnisse laden zum Verweilen ein.

Wie Schenk auf Anfrage erklärt, reicht er trotzdem eine Schadenersatzklage ein. Dies, um seine Kosten von 5000 Franken zurückerstattet zu bekommen.

«Erotik ist wunderschön»

Kurt Schlatter und Vreni Dillier haben vor drei Jahren die Liegenschaft gekauft und sind im Mai 2011 eingezogen. Ursprünglich war ihr Projekt eine Musikbar, was aufgrund der Schallung nicht realisierbar ist. «Wir haben eine enge Beziehung zur Kunst und finden die Erotik und den eigenen Körper etwas Wundervolles», sagt Dillier auf Anfrage. Sie habe die Artikel zur verbotenen erotischen Ausstellung gelesen und sei empört gewesen. «Da wir einen geeigneten Raum dafür besitzen, habe ich Frau Stucki vorgeschlagen, die Werke bei uns zu zeigen.» Sie kenne weder die Hintergründe noch Stucki oder den Künstler persönlich.

«Ich habe das wunderschöne Bild von Andreas Schenk in der Zeitung gesehen und freue mich nun auf all die Begegnungen», sagt Dillier. «Erotik ist nichts Schändliches. Sie ist eine schöne Kunstform und zudem ein Zeichen von Freude, sie ist ein Lebenselixier.»
Franziska Streun

Ausstellung «Schöne Freuden»: 1. bis 4.Dezember: Obere Hauptgasse 62 (Eingang Aarequai, neben Messerschmiede Schoder); Öffnungszeiten: Do 17–20 Uhr (Vernissage), Fr 17–20 Uhr, Sa 14–18 Uhr, So 17–19 Uhr (Finissage).